Dorwort.
Bei Abfassung und Beurtheilung eines Lehrbuchs ist zunächst der
Standpunkt ins Auge zu fassen, von welchem aus die speciellen Zwecke,
Aufgaben und Ziele derjenigen Lehranstalten, für welche es bestimmt ist,
zu übersehen und zu erkennen sind. Diesen Standpilnkt habe ich in meinem
vor einem Jahre in demselben Verlag erschienenen und mit Beifall auf-
genommenen „Lehrbuch der deutschen Sprache, enthaltend eine systematische
Grammatik mit classischen Beispielen und practischen Uebungsaufgaben an
realen Sprachftücken h." genau umschrieben. Ich komme also hier nicht
wieder darauf zurück. Daß ich aber schon nach Jahresfrist eine neue
Schrift, das vorliegende Lehrbuch der Erdkunde, erscheinen lasse,
darf nicht die irrthümliche Meinung erwecken wollen, als ob dieses Buch
in dieser Zeit erst geschassen worden wäre; es ist schon seit mehreren
Jahren in seinen einzelnen Theilen vorhanden gewesen, als Präparationen
für den Unterricht, nach den besten Hilfsmitteln und Lehrbüchern, als
Ergänzungen und Berichtigungen zur geographischen Wissenschaft rc. Zwischen
beiden erwähnten Lehrbüchern besteht nicht nur eine Uebereinstimmung des
Planes, sondern auch der äußern Gliederung, die für den Lernenden nur
nutzbringend und wünschenswerth sein kann.
Die ersten Theile des geographischen Lehrbuchs, die mathematische
und physikalische, oder die allgemeine Geographie, sind hier
nur in ihren Grundlehren behandelt worden, dagegen die politische
Geographie, die auf der Grundlage jener beruht, in größerer Ausführ-
lichkeit, mit Hervorhebung des Kaufmännischen und Volkswirthschaft-
lichen, als z. B. der Ein- und Ausfuhr, Ausfuhrprodukte, Staats-
schulden, Handelsflotte u. s. w., sowie sie der Zweck der realen Bildung
bei angehenden Kaufleuten und Industriellen nöthig macht. Dabei ist
aber das wissenschaftliche Princip des erdkundlichen Unterrichts nicht zurück-
gestellt worden, das die Erde als die Entwickelungsstätte der Menschheit,
den Fortschritt der Cultur als das Werk freier Geiftesthat inmitten des
natürlich Gegebenen, des geschichtlich Gewordenen auffaßt; das Natur und
Gejchichte, Land und Volk, die Gliederungs- und Naturverhältnisse der
Erdoberfläche und den Entwickelungsgang der Menschheit als Warum und
Weil aufzeigt. Das Volks- und Staatsleben ist streng gebunden an die
Gesetze der Natur, an Abstammung, an Boden und Klima, an die welt-
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TM Hauptwörter (100): [T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
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Iv
Vorwort.
geschichtliche Vergangenheit und Gegenwart der Menschheit in der Con-
tinuität ihrer räumlich-zeitlichen Entfaltung als einer organischen Einheit
in des Wortes höchster Bedeutung. So wie der Geschichtsunterricht seinen
Zweck verfehlen würde, wenn er blos in Mittheilungen über Krieg und
Schlachten, Entstehung und Untergang von Reichen, Namen und Zahlen
u. s. w. bestünde und nicht zuni Verständniß der historisch gewordenen
Verhältnisse führte: so auch der geographische Unterricht, wenn er nur
möglichst viele Namen für Berge und Flüsse, Länder und Städte u. s. w.
geben und nicht zu der Erkenntniß führen würde, daß die natürlichen
Dinge nur die Bedingungen des über die Erde verbreiteten Lebens sind,
dessen höchste Thätigkeit sich im Menschen vollzieht.
Um nun aber auch zugleich neben der gemessenen Systematik eine
gewisse Fülle im Detail oder richtiger das Element der Beschreibung und
Schilderung zu geben, sind an geeigneten Stellen im Lehrbuche Bilder
und Skizzen, nach den vorzüglichsten Darstellern, wenn auch nur in
kleinern Rahmen und mäßiger Ausdehnung, eingefügt worden, damit der
Lernende Muster vor sich habe, nach welchen er seine erworbenen geographischen
Kenntnisse in fließender Rede mündlich und schriftlich zur Aufsatzform zu
gestalten vermöge; denn jegliches Verständniß beruht darin, daß man das
Ganze in seinen Theilen, das Allgemeine im Besondern, und umgekehrt,
richtig schaut.
Es bedarf schließlich wohl kaum noch der Erwähnung, daß der
geographische Unterricht, der in seinen Elementen Anschauungsunterricht
ist, ohne Kartenwerke, Abbildungen und Modelle und bildliche Erläute-
rung des Vortrags nicht ertheilt werden darf.
Möge denn auch dieses Lehrmittel eine wohlwollende Aufnahme finden.
Leipzig, im Monat August 1870.
Dr. H. Th. Traut.
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4
Der Sternenhimmel.
annahm und weiter ausbildete, gezwungen wurde, öffentlich die Bewegung
der Erde zu widerrufen, da das ganze System in wörtlichem Widerspruche
mit einigen Stellen der heiligen Schrift steht.
3. Da trat der große Kepler auf, der 1571 zu Weil in
Würtemberg geboren war, und indem er alles seither Bekannte und
namentlich die von seinem Zeitgenossen Tycho de Brahe (gest. 1601)
gemachten vortrefflichen Beobachtungen zu Hilfe nahm, entwickelte er jene
ewig denkwürdigen Gesetze, die sein Verdienst unübertroffen und seinen
Namen unsterblich machen. Kepler's Gesetze bestehen in folgendem:
a) Die Bahnen der Planeten sind Ellipsen, die einen Brennpunkt
gemeinschaftlich haben, in welchem sich die Sonne befindet.
b) Jeder Planet beschreibt in gleichen Zeiten gleiche Flächenräume.
c) Die Ouadratzahlen der Umlaufszeiten von je zwei Planeten ver-
halten sich zu einander, wie die Kubikzahlen der mittleren Ent-
fernungen dieser beiden Planeten von der Sonne.
4. Den Schlußstein der theoretischen Betrachtung des Weltalls
fügte der berühmte Newton (geb. 1642, gest. 1727) hinzu. Von ihm
geht nämlich die Ansicht aus, daß eine Grundursache der Bewegungen
der Himmelskörper in der zwischen denselben stattfindenden reciproken
Anziehung sei, die er Schwere oder Gravitation nannte. (Vergl. § 10,3.)
Er zeigte, daß die Größe dieser Anziehung zunimmt mit der Masse eines
Körpers, und daß sie abnimmt, je weiter die sich anziehenden Körper
von einander entfernt sind.
Nachdem auf diese Weise einmal unumstößliche Gesetze aufgestellt
waren, gelang es nach und nach, manche Unvollkommenheiten, die sich
noch zeigten, zu beseitigen.
§. 2. Scheinbare Bewegung der Gestirne.
1. Sowie die Sonne um die Erde, so scheint sich auch das ganze
Himmelsgewölbe von Osten nach Westen um die Erde zu drehen.
2. Beobachten wir am sternhellen Abend einen Stern am Himmel,
so bemerken wir, daß er sich in Bewegung befindet. Er ist im Osten
hinter der Erde auf- und in südwestlicher Richtung emporgestiegen, bis
er seine höchste Höhe am Himmel, seinen Kulminationspunkt,
erreicht hat. Dann neigt er sich abwärts nach Westen in nordwestlicher
Richtung, bis er endlich hinter der Erde wieder verschwindet. In circa
12 Stunden hat der Stern diesen Weg vollendet und seinen Tagbogen
beschrieben. Nun beschreibt er in derselben Zeitdauer seinen Nachtbogen,
der unserm Auge selbstverständlich unsichtbar bleibt, und erscheint am
folgenden Abende an demselben Orte, um aufs neue ziemlich um dieselbe
Zeit im Osten wieder aufzugehen.
3. Beobachten wir weiter einen andern Stern, der nach Süden zu
seinen Aufgang nimmt, so bemerken wir, daß sein Tagbogen kleiner und
er in weniger als 12 Stunden im Westen (am westlichen Horizonte)
angekommen ist. Seine Bahn ist kleiner als ein Halbkreis. Je weiter
überhaupt ein Stern nach Süden zu aufgeht, desto kleiner wird sein
Tagbogen, so daß endlich die südlichsten Sterne kaum eine Stunde lang
an dem uns sichtbaren Himmel verweilen.
4. Anders verhält sichs mit den Sternen, die wir weiter nördlich
am östlichen Horizonte bemerken. Sie beschreiben größere Tagbogen als
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10
Der Sternenhimmel.
4. Ob sie ihr Licht von der Sonne erhalten oder eigenes haben,
oder ob beides zugleich stattfindet, ist noch nicht erwiesen, wenngleich die
meiste Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sie eigenes Licht haben.
5. Die Bahnen, in welchen sich die Kometen bewegen, sind krumm-
lienig (Curven); ob sich alle in Ellipsen bewegen, ist ungewiß. Ihre
Umlaufszeit dauert meist sehr lange, und namentlich einige der schönsten
Kometen, wie die von 1680, von 181! u. a. sollen erst nach 1500 bis
8000 Jahren wiederkehren.
Anmerk. Der große Komet von 1811 ist etwa zur Zeit des Trojanischen
Krieges zum vorletzten male erschienen; 4700 wird er vielleicht wiederkehren.
Das Copernicanische Weltsystem.
Die wissenschaftliche Revolution, deren Urheber Nicolaus Copernicus
war, hat das seltene Glück gehabt (eine kurze rückschreitende Bewegung der
Tychonischen Hypothese abgerechnet) ununterbrochen zum Ziele, zur Entdeckung
des wahren Weltbaues zu führen. Die reiche Fülle genauer Beobachtungen,
welche der eifernde Gegner selbst, Tycho de Brahe, lieferte, begründete die
Entdeckung der ewigen Gesetze planetarischcr Bewegung, die Kepler's Namen
einen unsterblichen Ruhm bereiteten und von Newton gedeutet, theoretisch
als nothwendig erwiesen, in das Lichtreich des Gedankens, eines denkenden
Erkennens der Natur, übertragen wurden. Man hat mit Scharfsinn, aber
vielleicht mit zu schwacher Bezeichnung des freien, selbständig die Gravitations-
Theorie schaffenden Geistes gesagt: „Kepler schrieb ein Gesetzbuch, Newton
den Geist der Gesetze".
Die sinnbildlichen dichterischen Mythen pythagorischer und platonischer
Weltgemälde, wandelbar wie die Phantasie, die sie erzeugt, fanden theilweise
noch ihren Reflex in Kepler; sie erwärmten und erheiterten sein oft getrübtes
Gemüth; aber sie lenkten nicht ab von der ernsten Bahn, die er verfolgte
und an deren Ziel er gelangte zwölf Jahre vor seinem Tode in der denk-
würdigen Nacht des 15. Mai 1618. Copernicus hatte durch die tägliche
Rotation der Erde um ihre Achse eine genügende Erklärung der scheinbaren
Umwälzung des Fixsternhimmels und durch die jährliche Bewegung um die
Sonne eine eben so vollkommene Auslösung der auffallendsten Bewegungen
der Planeten gegeben.
Der gleiche Abstand, in welchem die Sterne von einander bleiben, indem
das ganze Himmelsgewölbe sich von Osten nach Westen bewegt, hatte zu der
Vorstellung eines Firmaments, einer soliden krystallenen Sphäre geführt, an
welche sich Anaximenes (vielleicht nicht viel jünger als Pythagoras) die
Sterne wie Nägel angeheftet dachte. Tycho de Brahe rühmt sich ausdrücklich
des Verdienstes, durch seine Betrachtungen über die Kometenbahnen zuerst
die Unmöglichkeit solider Sphären erwiesen, das künstliche Gerüst derselben
zertrümmert zu haben. Er füllte den freien Himmelsraum mit Luft.
Die große Entdeckung Kepler's, daß alle Planeten sich in Ellipsen um
die Sonne bewegen und daß die Sonne in dem einen Brennpunkt dieser
Ellipsen liegt, hat endlich das ursprüngliche copernicanische System von den
excentrischen Kreisen befreit. Der planetarische Weltbau erschien nun objectiv,
gleichsam architectonisch, in seiner einfachen Größe, aber das Spiel und der
Zusammenhang der innern, treibenden und erhaltenden Kräfte wurde erst von
Jsaae Newton enthüllt. Wie man schon oft in der Geschichte der allmählichen
Entwickelung des menschlichen Wissens bemerkt hat, daß wichtige, aber scheinbar
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Extrahierte Personennamen: Nicolaus_Copernicus Newton Newton Copernicus Jsaae_Newton
Mond, Erde und Sonne.
u
zufällige Entdeckungen, wie das Auftreten großer Geister sich in einen kurzen
Zeitraum zusammendrängen, so sehen wir diese Erscheinung aus die auf-
fallendste Weise in dem ersten Decennium des 17. Jahrhunderts wiederholt.
Tycho, der Gründer der neuern messenden Astronomie, Kepler, Galilei und
Bacon von Verulam, sind Zeitgenossen. Alle, außer Tycho, haben in
reifen Jahren noch die Arbeiten von Descartes und Fermat erlebt. So
verbreitete sich das Wissen über" die wichtigsten Gegenstände der Erscheinungs-
welt in den himmlischen Räumen, wie über die Art, durch Erfindung neuer
Organe, diese Gegenstände zu erfassen, in dem kurzen Zeitraume der ersten
10 bis 12 Jahre eines mit Galilei und Kepler anbrechenden, mit Newton
und Leibnitz endenden Jahrhunderts.
Die zufällige Erfindung der raumdurchdringenden Kraft der Fernröhre
wurde zuerst in Holland, wahrscheinlich schon in den letzten Monaten des
Jahres 1608 bekannt. Als die Nachricht von der in Holland gemachten
Erfindung des telescopischen Sehens im Mai 1609 sich nach Venedig ver-
breitete, wo Galilei zufällig anwesend war, errieth dieser das Wesentliche der
Construction eines Fernrohrs und brachte sogleich das seinige in Padua zu
Stande. Er richtete dasselbe zuerst auf die Gebirgslandschaften des Mondes,
er durchforschte die Gruppe der Plejaden, die Milchstraße und die Stern-
gruppe im Kopf des Orion. Dann folgten schnell hintereinander die großen
Entdeckungen der vier Trabanten des Jupiter, der zwei Handhaben
des Saturn (seine undeutlich gesehene, nicht erkannte Ringumgebung), der
Sonnenslecken und der sichelförmigen Gestalt der Venus.
Die Bekanntschaft mit dem Satelliten-System des Jupiter und die mit
den Phasen der Venus haben den wesentlichsten Einfluß aus die Befestigung
und Verbreitung des Copernicanischen Systems gehabt. Auf die Entdeckung
der Nebenplaneten des Jupiter folgte bald die Beobachtung der sogenannten
Dreigestaltung des Saturn. Schon im November 1610 meldete Galilei
dem Kepler, daß „der Saturn aus drei Sternen bestehe, die sich gegenseitig
berühren
Die vielen dem Auge sichtbaren Kometen von 1577 an bis zu der
Erscheinung des Halley'schen Kometen 1607 (acht an der Zahl) regte zu
Speculationen über die Entstehung dieser Weltkörper an.
(Nach dem „Kosmos v. Humboldt". Cotta'sche Ausgabe,
zweiter Band, S. 350 ff.)
§. 8. Mond, Erde und Sonne.
1. Der Mond ist für uns der nächste von allen Himmelskörpern,
deshalb erscheint er uns größer als irgend ein Stern. Seine Entfernung
von der Erde beträgt 50,000 Meilen.
2. Der Mond bewegt sich in 27 Tagen 7 Stunden 43 Minuten
von Westen nach Osten um die Erde und in umgekehrter Ordnung
um sich selbst.
Bei seiner Bewegung um die Erde bleibt er aber nicht in gleicher
Entfernung zu den übrigen Sternen, sondern bleibt hinter ihnen nach
Osten zu zurück. Er bewegt sich scheinbar langsamer um die Erde, so
daß wenn die Sterne 29 mal um die Erde gelaufen sind, er erst 28 mal
diesen Weg gemacht hat. Nach dieser Zeit steht er wieder bei denselben
Sternen; man nennt diese Zeit einen siderischen Monat.
In dieselbe Stellung zur Sonne ist er aber in dieser Zeit noch
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Extrahierte Personennamen: Bacon_von_Verulam Descartes Newton Leibnitz
Extrahierte Ortsnamen: Holland Holland Venedig Padua
20
Bewegungen auf der Erde.
3. Denken wir uns die Sonne im Mittelpunkte und um sie herum
die Erdbahn — wie es wirklich ist — so würde, wenn die Erdachse
horizontal ans der Erdbahn läge, die eine Halbkugel fortwährend Tag,
die andere fortwährend Nacht haben; wenn aber die Erdachse vertical
auf ihrer Bahn stände, so würden die verschiedenen Jahreszeiten nicht
stattfinden können und Tag und Nacht an allen Orten der Erde immer-
während gleich lang sein. Beides ist nicht der Fall.
4. Die Erdachse steht vielmehr auf der Erdbahn so, daß sie
23'/2° von der senkrechten Richtung abgeneigt und zugleich fortwährend
nach ein und demselben Punkte des Himmels gerichtet ist. Diese sich
immer gleichbleibende Richtung derselben nennt man den Parallelis-
mus der Erdachse.
Da die Erdachse senkrecht auf dem Aequator steht, dieser aber mit
der Ekliptik einen Winkel von 23 V2 0 macht, so muß die Erdachse auf
der Ekliptik in einem Winkel von 90° — 23 Va0= 602/3° stehen.
Die Schiefe der Ekliptik.
Da von der Größe der Neigung der Erdachse gegen die Ebene der Erd-
bahn, also von der Schiefe der Ekliptik (d. h. von dem Winkel, wel-
chen die scheinbare Sonnenbahn in ihrem Durchschnittspunkte mit dem Aequa-
tor macht), die Vertheilung und Dauer der Jahreszeiten, die Sonnenhöhen
unter verschiedenen Breiten und die Länge des Tages abhangen; so ist dieses
Element von der äußersten Wichtigkeit für die astronomischen Klimate,
d. h. für die Temperatur der Erde, insofern dieselbe Function der erreichten
Mittagshöhen der Sonne und der Dauer ihres Verweilens über dem Hori-
zonte ist. Bei einer großen Schiefe der Ekliptik, oder wenn gar der Erd-
äquator auf der Erdbahn senkrecht stände, würde jeder Ort einmal im Jahre,
selbst unter den Polen, die Sonne im Zenith (Scheitelpunkt) und längere
oder kürzere Zeit nicht aufgehen sehen. Die Unterschiede von Sommer und
Winter würden unter jeder Breite (wie die Tagesdauer) das Maximum des
Gegensatzes erreichen. Die Klimate würden in jeder Gegend der Erde im
höchsten Grade zu denen gehören, welche man extreme nennt und die eine
unabsehbare verwickelte Reihe schnell wechselnder Luftströmungen nur wenig zu
mäßigen vermöchte. Wäre im umgekehrten Falle die Schiefe der Ekliptik null,
fiele der Erdäquator mit der Ekliptik zusammen: so hörten an jedem Orte die
Unterschiede der Jahreszeiten und Tageslängen auf, weil die Sonne sich un-
unterbrochen im Aequator bewegen würde. Die Bewohner des Pols würden
nie aufhören sie am Horizonte zu sehen. Die mittlere Jahrestemperatur eines
jeden Punktes der Erdoberfläche würde auch die eines jeden einzelnen Tages
sein. Man hat diesen Zustand den eines ewigen Frühlings genannt,
doch wohl nur wegen der allgemeinen gleichen Länge der Tage und Nächte.
Ein großer Theil der Gegenden, welche wir jetzt die gemäßigte Zone nennen,
würden, da der Pflanzenwuchs jeder anregenden Sonnenwärme entbehren
müßte, in das fast immer gleiche, eben nicht erfreuliche Frühlingsklima
versetzt sein, von welchem ich (Humboldt) unter dem Aequator in der Andes-
kette, der ewigen Schneegrenze nahe, auf den öden Vergebenen (Paramos)
zwischen 10,000 und 12,000 Fuß, viel gelitten. Die Tagestemperatur der
Luft oscillirt dort immerdar zwischen 4'/2 ° und 9° Rüaumur.
Das griechische Alterthum ist viel mit der Schiefe der Ekliptik beschäftigt
TM Hauptwörter (50): [T21: [Erde Sonne Tag Jahr Mond Zeit Stunde Punkt Abschnitt Periode]]
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TM Hauptwörter (200): [T180: [Erde Punkt Sonne Kreis Linie Ort Horizont Richtung Aequator Zone]]
32 Wasser und Land.
samer; ihre Erscheinung hat eine Dauer von mehreren Secunden. Bisweilen
(und neue Beobachtungen bestätigen das schon von Nicholson und Beccaria
beschriebene Phänomen) werden ganz ohne vernehmbaren Donner, ohne An-
zeige von Gewitter isolirte Wolken, welche hoch über dem Horizont stehen,
ohne Unterbrechung auf lange Zeit leuchtend im Innern und an den Rän-
dern; auch hat man fallende Hagelkörner, Regentropfen und Schneeflocken
ohne vorhergegangenen Donner leuchten gesehen. In der geographischen
Vertheilung der Gewitter bietet das peruanische Küstenland, „in dem
es nie blitzt und donnert, den auffallendsten Kontrast mit der ganzen übrigen
Tropenzone dar, in welcher sich zu gewissen Jahreszeiten fast täglich, 4 bis
5 Stunden nach der Kulmination der Sonne, Gewitter bilden. Nach den
vielen von Arago gesammelten Zeugnissen der Seefahrer (Scoresby, Parry,
Roß, Franklin) ist nicht zu bezweifeln, daß im allgemeinen im hohen Norden
zwischen 70 o und 75 0 Breite elektrische Explosionen überaus selten sind.
(Nach dem „Kosmos", erster Band.)
Drilles Haumück: Wasser und Land.
§. 29. Wasser.
1. Alles Wasser (im Meere, im See und Fluß) ist in einer
fortwährenden Verdunstung begriffen, indem sich feine Schichten desselben
an der Oberfläche in Luftform verwandeln und in die Atmosphäre em-
porsteigen, wo sie sich zu Wolken bilden.
2. Das verdunstete Wasser zieht einerseits alle dem thierischen Kör-
per beim Einathmen schädliche Dünste aus der Luft an sich und ver-
schafft andererseits dem Lande die nöthige Feuchtigkeit mittelbar durch
Speisung und unmittelbar durch Regen, Thau re. (§. 25).
3. Um diese wohlthätigen Wirkungen hervorbringen zu können, ist
eben ein so großer Ueberschuß der Wassermasse über die Masse des
trocknen Landes, wie die Erde ihn besitzt, erforderlich.
4. Die Wasserverdunstung ist so- bedeutend, daß das Meerwasser
in 12 Stunden Vio Zoll seiner Höhe verliert, und das überall (in Ge-
stalt von Regen re.) auf die Erde fallende Wasser würde, wenn es sich
nicht verliefe oder eingesogen würde, in einem Jahre den ganzen Erd-
ball beinahe 2vr Fuß hoch bedecken.
5. Diese ungeheure Masse des aus der Atmosphäre geschiedenen
Wassers wird theils von der Erde und den Pflanzen eingesogen, theils
sammelt es sich an, vorzüglich in den Gebirgen, wodurch die Quellen
hauptsächlich ihr Dasein erhalten.
§. 30. Land.
1. Die starren, nicht flüssigen, anscheinend unbeweglichen und un-
veränderlichen Materien, aus denen das Land besteht, sind einem be-
ständigen Formenwechsel unterworfen; hierbei sind dieselben Grund-
ursachen wirksam, welche Luft und Wasser in Bewegung setzen.
2. Lawinen und Gletscher verändern gleichfalls und zwar aus
großartige Weise die Oberflächenform des Landes.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T83: [Klima Winter Sommer Land Meer Wind Regen Niederschlag Zone Gebirge], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Nicholson Arago Parry Franklin
Der Mensch.
45
suiig legt die höchste Gewalt im Staate einem einzigen bei; die Mo-
narchie wird znr Despotie, wenn der Monarch an kein Gesetz gebun-
den ist; in der conftit nt io nellen Monarchie hat der Staat ein
Grundgesetz (Constitution), nach welchem unter Mitwirkung der Volks-
vertretung regiert wird. Als Gegensatz zur Monarchie besteht die Re-
publik, die 'Mehrherrschaft; der Föderativ- oder Bundesstaat be-
steht aus einer Mehrheit von Staaten, die je ihre besondere Regierung
haben, aber zu einer Gesammtheit verbunden sind.
Einheit des Menschengeschlechts«
Abhängig, wenngleich in niederem Grade als Pflanzen und Thiere,
von dem Boden und den meteorologischen Processen des Luftkreises, den Na-
turgewalten durch Geistesthätigkeit und stufenweise erhöhte Intelligenz, wie
durch eine wunderbare, sich allen Klimaten aneignende Biegsamkeit des Or-
ganismus leichter entgehend: nimmt das Menschengeschlecht wesentlich
Theil an dem ganzen Erdenleben. Durch diese Beziehungen gehört demnach
das dunkle und vielbestrittene Problem von der Möglichkeit gemeinsamer Ab-
stammung in den Ideenkreis, welchen die physische Weltbeschrcibung umfaßt.
Das unermeßliche Reich der Sprachen, in deren verschiedenartigem Organismus
sich die Geschicke der Völker ahnungsvoll abspiegeln, steht am nächsten dem
Gebiet der Stammverwandtschast, und was selbst kleine Stammverschiedenhei-
ten hervorzurufen vermögen, lehrt uns in der Blüte geistiger Kultur die hel-
lenische Welt. Die wichtigsten Fragen der Bildungsgeschichte der Menschheit
knüpfen sich an die Ideen von Abstammung, Gemeinschaft der Sprache, Un-
wandelbarkeit in einer ursprünglichen Richtung des Geistes und des Ge-
müthes.
So lange man nur bei den Extremen in der Variation der Farbe und
der Gestaltung verweilte und sich der Beschästigkeit der ersten sinnlichen Ein-
drücke hingab, konnte man allerdings geneigt werden die Racen nicht als
bloße Abarten, sondern als ursprünglich verschiedene Menschenstämme zu
betrachten. Die Festigkeit gewisser Typen mitten unter der feindlichsten Ein-
wirkung äußerer, besonders klimatischer Potenzen schien eine solche Annahme
zu begünstigen: so kurz auch die Zeiträume sind, aus denen historische Kunde
zu uns gelangt ist. Kräftiger aber sprechen für die Einheit des Men-
schengeschlechts die vielen Mittelstufen der Hautfarbe und des Schädel-
baues, welche die raschen Fortschritte der Länderkenntniß uns in neueren Zei-
ten dargeboten haben; die Analogie der Abartung an anderen wilden und
zahmen Thierclassen ; die sichern Erfahrungen, welche über die Grenzen frucht-
barer Bastarderzeugung haben gesammelt werden können. Der größere Theil
der Contraste, die man ehemals hatte zu finden geglaubt, ist durch die fleißige
Arbeit Tiedemann's über das Hirn der Neger und der Europäer, durch die
anatomischen Untersuchungen Vrolik's und Weber's über die Gestalt des
Beckens hinweggeräumt. Wenn man die dunkelfarbigen afrikanischen Nationen
in ihrer Allgemeinheit umfaßt, und sie dazu noch mit den Stämmen des süd-
indischen und westaustralischen Archipels, mit den Papuas und Alfourous
vergleicht, so sieht man deutlich, daß schwarze Hautfarbe, wolliges Haar und
negerartige Gesichtszüge keineswegs immer mit einander verbunden sind. So
lange den westlichen Völkern nur ein kleiner Theil der Erde aufgeschlossen
war, mußten einseitige Ansichten sich bilden. Sonnenhitze der Tropenwelt
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung]]
46
Der Mensch.
und schwarze Hautfarbe schienen unzertrennlich. Erst die Heerzüge Alexan-
ders, welche so viele Ideen der physischen Erdbeschreibung erregten, sachten
den Streit über den unsichern Einfluß der Klimate auf die Volksstämme an.
„Die Geschlechter der Thiere und Pflanzen — sagt einer der größten Ana-
tomen unseres Zeitalters, Johannes Müller, in seiner alles umfassenden
Physiologie des Menschen — verändern sich während ihrer Ausbrei-
tung über die Oberfläche der Erde innerhalb der den Arten und Gattungen
vorgeschriebenen Grenzen. Sie pflanzen sich als Typen der Variation der
Arten organisch fort. Aus dem Zusammenwirken verschiedener, sowohl inne-
rer als äußerer, im einzelnen nicht nachweisbarer Bedingungen sind die ge-
genwärtigen Racen der Thiere hervorgegangen, von welchen sich die auffallend-
sten Abarten bei denen finden, die der ausgedehntesten Verbreitung auf der
Erde fähig sind. Die Men sch enracen sind Formen einer einzigen Art,
welche sich ftuchtbar paaren und durch Zeugung fortpflanzen; sie sind nicht
Arten eines Genus; wären sie das letztere, so würden ihre Bastarde unter
sich unfruchtbar sein. Ob die gegebenen Menschenraeen von mehreren oder
Einem Urmenschen abstammen, kann nicht aus der Erfahrung ermittelt wer-
den." (Nach dem „Kosmos", erster Band.)
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
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